Vorweg nochmal allgemein: Ich denke, dass ein vermehrtes Sprechen der deutschen Sprache im Privaten es den Zuwanderern erleichtern würde, sich in Deutschland praktisch zurecht zu finden, gerade für diejenigen, die vielleicht noch nicht so sicher mit dem Deutschen sind.
Was ist das "es" was da untragbar wird?
Die politische Forderung. Das wäre eine deutliche Negierung von Bürgerrechten wie z.B. der Individualität und der Freiheit des Privaten und kultureller Vielfalt.
Und was bedeutet, dass Integration "für beide Seiten gelingen soll"?
Das ist ein Anspruch, der nicht von mir, sondern von den politischen Parteien immer wieder formuliert und von der deutschen Öffentlichkeit gefordert wird.
Ich habe von den Teilnehmern hier im Thread einfach mal angenommen, dass sie diese Forderung ebenso mittragen.
Um es mal ganz gekürzt zusammen zu fassen umfasst diese Formulierung zwei Seiten:
Für die eingewanderten Ausländer bedeutet dies die positive Annahme des Grundgesetzes und die Verinnerlichung gewisser Bestandteile deutscher (politischer) Kultur (Sprache, Rechtsempfinden, Individualismus, Pluralismus usw.), für die "Einheimischen" bedeutet dies die Akzeptanz fremder kultureller Traditionen, Offenheit und allgemein ein nützlich-entgegenkommendes, freundliches Auftreten (keine Diskriminierung, Zutritt zu Vereinen und Verbänden, karitative Hilfe und so weiter und so fort). Also das, was man gemeinhin unter "Willkommenskultur" versteht.
Des weiteren gehört zu einer gelungenen Integration eben auch, dass die Zuwanderer positiv zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Das ist ja überhaupt Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung, die sich Integration nennt.
Ich will dieses Konzept gar nicht beurteilen, sondern habe nur in den Raum geworfen, dass der Vorschlag der CSU diesem (für dich: bürgerlichen) Modell der
gelungenen Integration meiner Ansicht nach nicht widerspricht. Ich lasse mich in der Beziehung gerne eines besseren belehren, bislang kam da aber noch nichts.
Und was ist ein sollen in der Politik, wenn es kein müssen ist? Der moralische Zeigefinger?
Politik besteht nicht nur aus Gesetzen, in Grundsatzprogrammen von Parteien befinden sich nicht nur Gesetzesvorschläge, sondern eben auch allgemeine Zielvorstellungen und daraus abgeleitete konkrete "Appelle". So wie in Zeitungskolumnen, am Stammtisch und im Gegenstandpunkt auch.
Nichts anderes als so ein Appell war Inhalt des umstrittenen Satzes der CSU.
Ich weiß nicht, ob jede Sollens-Formulierung zwangsläufig eine moralische ist, sag du's mir. Wenn der Zeigefinger aber in dem Fall den Weg für eine sich gegenseitig respektierende und friedlich nebeneinanderher lebende "Multikultigesellschaft" ebnet, dann kann man mit der Moral dieses Mal ganz zufrieden sein.
Ich sehe da einfach nur eine fancy-schmantzy Version von "Ausländer haben sich anzupassen" Und ganz ehrlich: ich finde das vollkommen okay, dass wir nicht erst öffentlich ausdiskutieren müssen, wieso das vielleicht nicht so geil ist. Mir reicht da das Bauchgefühl der meisten Menschen absolut aus.
Wie oben angedeutet, setzt das Konzept einer
gelungenen Integration Rechte und Pflichten für beide Seiten voraus. Ausländer haben sich bestimmten kulturellen Werten und Normen des neuen Heimatlandes anzupassen, das ist integraler Bestandteil von dem, was man unter Integration versteht. Genauso haben sich "Einheimische" (vielleicht kein optimal gewählter Begriff, aber ich will jetzt nicht wieder 5 Minuten herumknobeln, was besser geeignet wäre) auf die Einwanderer einzulassen, verschiedene kulturelle Identitäten zu akzeptieren und ihnen Zugang zu Arbeitsmarkt, Wohnung und Freizeit zu ermöglichen. Letztendlich soll vor dem die Einsicht stehen, dass Wohlstand und das Funktionieren einer arbeitsteiligen Gesellschaft ohne Zuwanderung nicht möglich ist und die Ökonomie sonst den Bach runter geht.
Will alles also heißen: Das Konzept einer
gelungenen Integration setzt doch genau das voraus, wogegen ihr kritischen Kritiker immer so reflexartig rebelliert, nämlich die beiderseitige Forderung, _sich anzupassen_ (konkret in unserem Fall: Ausländer haben die Deutsche Sprache zu lernen und ordentlich zu beherrschen).
Entweder man weiß nicht so recht, von was man eigentlich spricht oder es wäre an der Zeit das Konzept einer
gelungenen Integration überhaupt zu hinterfragen.