Die faule Ausreden hatte ich auch immer bis ich mir eingestanden habe dass ich einfach schlecht bin ...
Wer einsieht, ändert sich, denkt man gemeinhin. Falsch! Einsicht ist tatsächlich in den meisten Fällen nur ein Beginn eines Prozesses, der eine spätere Veränderung folgen kann. Natürlich gibt es Fälle, wo ein Mensch sich nach einer neu gewonnenen Einsicht dann auch vernünftiger Weise anders als vorher verhält und sich bzw. die derzeit gegebenen Umstände ändert, weil er die Welt mit neuen Augen sieht.
Nicht überliefert ist jedoch von der Gruppe der scheinbar schnell Umsetzenden, wie viele vorausgehende Schritte es brauchte, bis diese neue Einsicht dann auch zur konkreten Tat wurde. Zu vermuten ist, dass den meisten Menschen solche Vorprozesse, die einer langsam dämmernden Einsicht vorausgehen, nicht bewusst realisiert oder gedanklich reflektiert werden. Dem Gedächtnis sind sie zumeist nicht abrufbar – auch wird jedoch die Frage danach eher wohl selten gestellt.
Einsicht ist die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, sie sachlich zu begreifen und geistig korrekt zu erfassen. Das Nachdenken darüber kann zu einem neuen Erkenntnisprozess führen. Mit im Spiel sind dabei häufig dann auch die eigene Wahrnehmung und die damit verbundenen konkreten Erlebnissen. Eine weitere Form unseres Erkennens kommt aus der Intuition. Mittels ihrer ereignen sich manchmal blitzartig Einsichten, ohne dass vorher eine komplizierte Analyse bewusst durchlaufen wurde.
Naturvölker führten die menschliche Fähigkeit zur Einsicht oft auch auf die verstorbenen Ahnen zurück, die ihnen nach ihrem Glauben aus dem Jenseits Offenbarungen zukommen ließen. Oder sie erlebten die Intuition als Geschenk von Göttern oder Geistern. Eine andere Erklärung für das plötzliche Auftauchen von blitzartigen Ideen hatten sie nicht.
Wunderbar hat Friedrich Nietzsche einmal dazu gesagt: "Wofür wir Worte haben, darüber sind wir auch schon hinaus." Das bezog sich auf all jene Einsichten, über die wir schon sprechen können, sie bereits argumentieren können. Es gibt jedoch auch solche Einsichten, die wir vor allem über unsere Herzebene verstehen, ohne dass wir ihr auf der Verstandesebene schon adäquaten Ausdruck verleihen können
Es stimmt schon, dass Einsicht ein erster Schritt zur Besserung ist. Die Betonung liegt dabei jedoch auf allen drei Substantiven gleichermaßen. So braucht es die
Einsicht, um eine Lösung oder einen Lösungsweg überhaupt erkennen zu können. Das ist der erste Schritt. Gleichzeitig weist es uns aber auch darauf hin, dass es nur (!) "ein erster Schritt" ist und eben nicht die Lösung als solche. Denn diese braucht nach diesem Einsichtsschritt dann die konkrete Tat. Und die
Besserung wiederum tritt auch nur dann ein, wenn diese Tat tatsächlich gut realisiert wurde und nicht in der Theorie oder dem Vorhaben steckenblieb.
Die Sache mit dem "ersten Schritt" ist spannend. Warum, so könnten wir uns alle fragen, folgen wir so häufig nicht unserem neuen Erkennen und tun diesen ersten Schritt nicht? Es wäre doch nur logisch und folgerichtig, wenn wir das, was wir erkennen, dann auch umsetzen. Doch die Wirklichkeit zeigt uns eine ganz andere Verhaltensweise auf. Wir sehen etwas ein, aber lassen es sein.
Das Zauberwort heißt meist: Charakterschwäche. Der innere Schweinehund in uns weiß sehr wohl ganz genau, was zu tun wäre, aber er weigert sich, der neuen Einsicht zu folgen. Mal zieht er dazu die Waffe der Verdrängung, vielleicht auch die des Vergessens, mal findet er spitzfindige Argumente, warum es aber nicht jetzt und heute so günstig, obschon es durchaus so ginge. Der Umsetzung stehen mal die Zeit, mal die Lust, mal die Kraft entgegen. Schlussendlich: Wir lassen es bleiben… Einsicht hin oder her. Letztlich lassen wir uns oft von der Gewohnheit und dem Gewohnten verführen, das uns in vielen Fällen wie ins Blut eingeschrieben zu sein scheint. Und alte Gewohnheiten zu ändern, ist mit das Schwierigste im menschlichen Leben überhaupt. Es können jedoch auch noch andere, als nur die charakterlichen Gründe, der Umsetzung der neuen Einsicht entgegenstehen. Manchmal sind es auch äußere Faktoren. Blockaden, die erst einmal beiseite geräumt werden müssen, bevor man sich an die Umsetzung machen kann.
In anderen Fällen sind zum Beispiel weitere Menschen mit in das gegebene Problem involviert. Sie können aus vielen Gründen die eigenen guten Pläne und Absichten zunichtemachen. Sie können blockieren, verweigern, querschießen. An solchen zwischenmenschlichen Prozessen ist dann oft zusätzlich zur Sachlage noch zu arbeiten.
Einsichtsfähige, die solche Prozesse dann erfolgreich durchlaufen, wissen oft nicht, wie viele Anteile dieser Aktion quasi unbewusst abliefen, bevor sie zu einem folgerichtigen Umsetzungsschritt dann auch befähigt waren. Nach außen scheint es oft so zu sein, als handele es sich in solchen Fällen stets um eine direkte, spontane Konsequenz, weil sie rein zeitlich gesehen direkt auf die Einsicht erfolgte. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Sache anders liegt und dieser Umsetzungstypus vorher bereits in einer inneren Vorbereitung auf sein neues Tun war, während jedoch seine Selbstreflektion darüber ausgeschaltet war.
Eine andere Möglichkeit in Bezug auf die Umsetzung von Einsicht für das Bessere ist die Frage von erworbener Disziplin respektive Selbstdisziplin. Menschen, die sich darin geschult haben, vermögen Einsichten schneller und konsequenter umsetzen als jene, die ihrem inneren Schweinehund zu viel Freiheiten einräumten und ihn nach Lust und Laune gewähren ließen. Hier ist die Zeitspanne vom ersten bis zum entscheidenden Schritt zur Besserung oft nur sehr kurz.
Für genaue Beobachter des menschlichen Verhaltens jedoch zeigt sich in der Regel, dass diesem ersten Schritt einer ersten Einsicht in ein gegebenes Problem zumeist noch viele weitere Schritte folgen müssen, bis aus der neu gewonnenen Einsicht tatsächlich das Bessere in Form einer konkreten Tat auch eintreten kann.
Hoffnung dabei bleibt angesagt. Vor allem dann, wenn man die Lust an der Selbstreflektion steigert. Wer ehrlich zu sich selbst ist und erlebt, wie umgesetzte neue Einsichten auch mehr Qualität ins eigene Leben oder in das Leben der Mitmenschen bringt, wird sich gern darum bemühen, nach diesem ersten Schritt auch die entscheidenden anderen folgen zu lassen… und abhängig davon, ob es nur einen einzigen weiteren braucht oder auch zehn.
Es gibt Sprichwörter über Sprichwörter. Eines lautet: “Zum Lied das Alleluja, zur Unterhaltung das Sprichwort!“ Der Verfasser ist mir unbekannt. Ich würde sagen: Es stimmt, aber gewiss nur zur Hälfte. Denn Sprichwörter können natürlich viel mehr, als nur unterhalten.
Oskar Blumenthal sagt über das Sprichwort: “Ach selbst das weiseste Sprichwort irrt: Nicht alles Gold, was geschwiegen wird!“ Wie schön! Er kommt einer wichtigen Wahrheit auf die Spur: Sprichwörter können irren! Und wie!, kann ich nur sagen. Manche Sprichwörter sind so kurz wie sie falsch sind - aber andere so intelligent und tief, wie sie kurz sind.
Miguel de Cervantes Saavedra sagte einmal: Ein Sprichwort ist ein kurzer Satz, der sich auf lange Erfahrung gründet. Dem stimme ich gern zu. Selbst wenn die lange Erfahrung dessen, der spontan vielleicht ein Sprichwort kreiert, in diesem Augenblick gar nicht im Bewusstsein ist. Manchmal erschafft man so spontan einen Aphorismus aus einer Situation heraus, dass die Grundlage zu diesem Wissen dabei aber nicht einmal ans Tageslicht kommt. Es kommt leicht und von Herzen, so als singe die Seele gerade ein kleines neues Lied. Kann man jedoch kluge Sätze über Ereignisse, Situationen, Menschen usw. sagen, braucht es in der Regel schon einen gewissen Erfahrungsschatz, aus dem man schöpfen kann. Man muss nicht alles auch erlebt haben. Es gibt Menschen, die haben aus einer sehr genauen Beobachtungsgabe die Fähigkeit, treffsichere Schlüsse zu ziehen und daraus die Essenz eines Aphorismus zu basteln.
Sehr viele Sprichwörter sind Wort-Weisheiten. Wenn wir sie hören, geht uns manchmal das Herz auf. Oder aber es wird eine Erinnerung wach, die uns an ein altes Vorhaben gemahnt. Wie schwer es ja ist, im Erwachsenenleben Gewohnheiten zu verändern, weiß jeder, der es versucht. Sprichwörter können da Hilfestellung geben.
Eine schöne Idee ist, sich seinen ganz eigenen Sprichwortkalender anzulegen. 365 Sprüche, aus denen man die “dummen Sprüche“, die es bei Sprichwörtern auch gibt, weglässt und dafür die Sprüche, Zitate oder Aphorismen nimmt, die man so richtig lieb gewonnen hat. Zitate, die einen anrühren, einen befeuern und dazu beitragen, dass man seine eigenen Ziele immer wieder neu nicht nur ins Auge bekommt, sondern auch weiß, dass man die Kraft und die Möglichkeit der Umsetzung hat.
Aufbauende Sprichwörter sind gewiss konstruktiver als scheltende oder mahnende kluge Sätze. Oder welche, die gleich so hoch in ihrem Anspruch an uns ansetzen, dass ein Erreichen des Zieles zu utopisch klingt und damit der Satz unattraktiv wirkt, selbst wenn er weise und richtig ist. Der eigene Sprichwortkalender könnte ein Dauerbegleiter im Leben werden. Etwas, das hilft, die notwendige Selbstreflexion so zielgenau der eigenen Persönlichkeit anzupassen, dass man täglich neu das Gefühl bekommt, in der eigenen geistigen Schatzkiste zu graben.
Wohlan! Werden Sie Schatzsucher und Goldgräber für Weisheiten, die sie selbst immer weiser und gelassener werden lassen.