Wirkung von Nikotin
Wenn der Tabak glimmt, wird das Nikotin in den Tabakrauch freigesetzt. Gebunden an die winzigen Teerteilchen im Rauch gelangt es in die Lunge und von dort ins Blut. Bei Kau- und Schnupftabak erfolgt die Aufnahme über die Schleimhaut von Nase oder Mund. Da Nikotin die Eigenschaft besitzt, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, die viele andere Giftstoffe stoppen kann, erreichen die Nikotinmoleküle schon sieben Sekunden später das Gehirn, heften sich dort an die Nervenzellen und beeinflussen deren Aktivität. Das lässt sich mit modernen Verfahren sogar auf dem Bildschirm verfolgen.[1]
Der Begriff „Nikotin-Rezeptor“ für die spezifische Bindungsstelle des Nikotins ist nicht ganz korrekt, denn die genannten Rezeptoren warten keineswegs darauf, dass ein Nikotin-Molekül andockt. Vielmehr handelt es sich um Rezeptoren, die normalerweise auf Acetylcholin reagieren. Nikotin ist diesem Neurotransmitter (Botenstoff) sehr ähnlich, sodass die Acetylcholin-Rezeptoren auch auf Nikotin reagieren. Dieser Rezeptortyp wird daher korrekt als Nikotinischer Acetylcholinrezeptor bezeichnet.
„Nikotin ist eine der am schnellsten süchtig machenden Substanzen. Es hat nicht nur psychostimulierende Wirkungen wie Kokain oder Amphetamin, sondern stößt im Gehirn die gesamte Breite der Neuromodulatoren an und wirkt wie der Dirigent in einem Konzert auf viele Instrumente ein“.[2] Nikotin greift an zwei verschiedenen Kompartimenten an, den präsynaptischen und postsynaptischen Acetylcholinrezeptoren („Nikotinrezeptoren“). Bei Bindung an die Rezeptoren kommt es zur Ausschüttung unterschiedlicher Neurotransmitter [chemische Stoffe, die dem Informationsaustausch zwischen den einzelnen Nervenzellen dienen] wie Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Endorphinen. Diese beeinflussen verschiedene funktionale Strukturen des Gehirns, wobei es individuelle Variationen gibt. Die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren haben einen sehr engen Bezug zum präfrontalen Cortex. Dadurch werden Hirnfunktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Lernen durch Nikotin verbessert.
Außerdem bestehe eine enge räumliche Beziehung zum dopaminergen Belohnungssystem, einer entwicklungsgeschichtlich entscheidenden Struktur. Sie wirkt auf Funktionen wie Essen, Trinken und Sexualität, die notwendig sowohl für die Existenz des einzelnen Menschen als auch für das Überleben der Art sind. Beim Rauchen belohnt sich der Mensch also ebenso wie bei der Ausführung existentieller Handlungen. [3]
Die besondere Wirkung des Nikotins auf das Gehirn besteht in einer Catecholamin-Freisetzung in den so genannten Belohnungsarealen der Großhirnrinde. Dies in Verbindung mit dem sensiblen oralen Reiz des Rauchens bewirkt die „positiven“ Gefühle des Rauchens. Zigaretten enthalten eine ganze Reihe von Substanzen, die sich in ihrer Abhängigkeitswirkung potenzieren. Ammoniak (dem Tabak bei der Verarbeitung künstlich zugesetzt) beispielsweise wirkt wie ein Beschleuniger für das Nikotin. Der im Tabakblatt enthaltene bzw. künstlich zugesetzte Zucker verbrennt beim Rauchen, wobei unter anderem das ebenfalls süchtigmachende Acetaldehyd entsteht. Dieser Stoff bewirkt eine Reduzierung des Enzyms MAO-B (Monoaminooxidase B), das im Gehirn Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin abbaut. Man hat festgestellt, dass Raucher bis zu 40 Prozent weniger MAO-B haben als Nichtraucher. Dementsprechend mehr Dopamin und Serotonin wirken auf das Gehirn ein, was wie beim Nikotin als angenehm empfunden wird und somit das Abhängigkeitspotential erhöht.
Auch diverse andere Drogen wirken als MAO-B-Hemmer, zum Beispiel die Tollkirsche. MAO-Hemmer werden in der Medizin als Antidepressiva eingesetzt. All diese Zusammenhänge sind aber immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung. Mit weiteren Erkenntnissen wird auch in Zukunft zu rechnen sein.
Überdies wirkt Alkohol an denselben Rezeptoren wie Nikotin. Er blockiert diese, was im Falle von Alkoholkonsum dazu führt, dass mehr geraucht werden muss, um sich entspannt zu fühlen.
Abhängigkeitspotenzial
Laut einer Veröffentlichung der Weltgesundheitsorganisation sind Tabakprodukte die einzigen frei verfügbaren Konsumgüter, die bei einem Großteil ihrer Konsumenten eine Abhängigkeit, Krankheit oder Tod erzeugen.
Nikotin ist verantwortlich für die Abhängigkeit von Tabakerzeugnissen. Nikotin hat ein extrem hohes Abhängigkeitspotenzial und kann sehr schnell zu einem abhängigen Verhalten führen. Nach Meinung von Experten des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit BAG, sowie anderer, beispielsweise der US-Gesundheitsbehörde FDA, „ist das Abhängigkeitspotenzial von Nikotin vergleichbar mit dem vom Heroin“.[6] Es reichen wenige Zigaretten oder wenige Tage mit kleinem Zigarettenkonsum bis zum Eintritt der körperlichen Abhängigkeit. Neue Untersuchungen zeigen, dass häufig schon der Genuß einer einzigen Zigarette genügt, um typische Abhängigkeitssymptome, wie innere Unruhe, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten, hervorzurufen und einen Verlust der persönlichen Selbstbestimmung (Autonomie) herbeizuführen.
Die körperliche Abhängigkeit äußert sich je nach dem Grad der Gewöhnung in Unruhe, Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen und Schweißausbrüchen. Die Symptome verschwinden jedoch in 5-30 Tagen. Weitere Entzugserscheinungen entstehen dadurch, dass die ständige Stimulierung des Belohnungssystems (Nucleus accumbens) durch das Nikotin ausbleibt. Sie können sich durch Gereiztheit, Ungeduld, Aggressivität, schlechte Laune bis hin zu Depression und Konzentrationsstörungen äußern. Dieser Zustand kann Monate andauern und ist einer der Hauptgründe dafür, dass Ex-Raucher wieder rückfällig werden.
Die psychische Abhängigkeit durch eingeprägte Verhaltensmuster, die sich im Laufe einer „Raucherkarriere“ entwickeln, kann nach dem körperlichen Entzug auch nach Jahren noch vorhanden sein.