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Dialektik vs. Demokratie

DeletedUser

Gast
Liane hat nach Dialektik gefragt, das wird die wenigsten hier interessieren. Außerdem ist eine Erklärung von Dialektik erstens unglaublich inhaltsarm, zweitens wird Dialektik derart häufig komplett falsch aufgefasst, dass ich mir - und das ist ungewöhnlich für mich! ;D - 'ne astreine Erklärung selbst nicht zutraue. Den Versuch der Erklärung möchte ich daher an einem Beispiel, der dialektischen Erklärung der Demokratie, durchführen.

Der erste Teil sind daher sehr abstrakte Gedanken, die durchaus Erkenntnistheoretisch sind, und Erkenntnistheorie halte ich für ein absolut sinnloses Geschäft. Das heißt ber nicht, dass man nicht ein paar wahre Sätze über Erkenntnistheorie sagen kann. Wer sich dafür wirklich interessiert, kann gerne daran teilhaben, aber ich werde da bestimmt nicht lange dran bleiben.

Der zweite Teil ist dann eine Erklärung des Begriffs von Demokratie und eine Kritik des demokratischen Selbstbewußtseins, außerdem noch eine Herleitung des Faschismus aus der Demokratie samt einer Kritik des faschistischen Denkens.

Also, los gehts.

Habe ich das richtig verstanden, dass Dialektik eine Synthese aus These und Antithese ist?
Wenn ja, dann kann man Dialektik auch "missbrauchen" (wie überraschend :D)
Beispiel ist Hitlers False-Flag des Reichstagsbrandes ;)

Was sagt uns diese "überragende" Erkenntnis?
Dass MD nur ein Werkzeug ist, aber nicht das Wesen des Denkens!

Aber den Rest wollte ich mir noch für meine Antwort auf Molattows Post im "Marktwirtschaftsthread" aufheben.

[...]

Logik ist nicht der letzte Stein der Weisheit, Hugo. Und ich denke das weißt du.
Logik basiert auf "cause&effect". Ein allg. deterministisches Prinzip der Natürlichkeit der kosmischen [OU] Ordnung. Das trifft aber nicht auf die Psyche zu (ich nutze hierbei den griechischen Term, obwohl er nicht ansatzweise den Sachverhalt akurat verdeutlicht.)
Also, die Frage ist, was Dialektik ist, und die allgemeinste Antwort ist: Das allgemeine Verfahren des Denkens, im Prinzip: Logik. Aber nicht die formale Logik der Mathematik, sondern die Logik des Begriffes. Das Zeug mit These, Antithese und Synthese spielt eine Rolle, aber erschöpft diese Logik keinesfalls.
Menschliches Denken ist begriffliches Denken. Man kann spekulieren, seit wann das so ist und weshalb das so ist, aber das ist dann wirklich nur Spekulation und gibt nicht viel her. Bleibt es erstmal bei der Beobachtung, dass es so ist: Menschliches Sein geht einher mit Bewußtsein und dieses Bewußtsein äußert sich nicht nur als Emotionen, Bilder, Erinnerungen und Sinneseindrücke, die an einen herantreten, sondern als denkende Bewältigung von Aufgaben.
Denken bezieht sich immer auf eine Sache, über die da gedacht wird, diese Sache bezeichnet der Begriff. Der Begriff einer Sache ist nicht mit einem bloßen Namen oder einer Definition zu verwechseln. Es ist ja zum Beispiel ganz gleichgültig, dass ich "Stefan" heiße, mit "Hugo" könnt ihr auch gut verfahren, das sagt über mich nichts aus, die Sache "Hugo" bleibt die gleiche. Das heißt, aus dem Namen lässt sich kein Schluss ziehen. Name ist nichts weiter als Identität, A = A, ziemlich tot und ohne Bewegung das ganze.
Der Begriff bekommt erst gehalt, wenn das Subjekt mit einem Prädikat versehen wird. Hugo ist ein Typ der gerne wahre Sachen im Internet sagt, zum Beispiel. In dieser Bestimmung des Begriffs von Hugo (Typ der gerne wahre Sachen im Internet sagt) kommen selbst wieder Begriffe als Prädikat vor, die man auch begreifen kann. Was ist Internet, was sind Sachen, was ist Wahr, was ist ein Typ, was bedeutet es, etwas gerne zu tun, und was ist eigentlich dieser Sprechakt? Man sieht, da kommt langsam Bewegung in die Sache! A = A ist eine Aussage, die niemand in Zweifel ziehen, aus der man aber auch keine Schlüsse ziehen kann, mit A = B ^ C ^ D ^ ... ist schon viel mehr erreicht, jetzt kommt man zu Erkenntnissen und kann prüfen, ob die Behauptung, die ich aufgestellt habe, sich auch wirklich so verhält.
Man könnte zum Beispiel fragen, ob ich da wirklich Sachen sage oder sie nicht viel mehr schreibe. Man könnte zur Sprache bringen, ob das denn wirklich einen Unterschied macht, ob ich jetzt rede oder schreibe. Selbstverständlich sind das verschiedene Sachen, aber sie haben beide etwas gemeinsames. Das gemeinsame ist, dass ich mit Begriffen einen Sachverhalt erklären will. Sagen wir also lieber, "Hugo ist ein Typ der im Internet gerne Sachen erklärt".
Das Verfahren von eben ist das was man gerne unter Dialektik versteht. Die These war: Ich sage, die Antithese war: stimmt gar nicht, ich schreibe, die Synthese ist: Letzen Endes ist alles, was ich tue, zu erklären, eine Sache, die sowohl dem sprechen als auch dem schreiben gemeinsam ist. (Kurze Anmerkung: Dieses Suchen von etwas gemeinsamen einer Menge von Sachen nennt sich Abstraktion. Wenn ich danach frage, was das gemeinsame von Rosen, Ahorn und Algen ist, dann komme ich zum Begriff der "Pflanze". Abstraktion heißt "absehen", das, wovon abgesehen wird, sind die Unterschiede zwischen den Sachen: Rote Blüte, Blatt und holziger Stamm, Einzeller - davon sehe ich ab, übrig bleibt sowas wie Chlorophyll oder Zellwand, was das gemeinsame aller Pflanzen ausmacht. Ist natürlich nicht ganz richtig, das gemeinsame der Pflanzen ist im wesentlichen ihre Evolution, gibt halt auch Pflanzen ohne Chlorophyll, aber darum soll's hier nicht gehen, ich will ja immer nur veranschaulichen, wenn ich hier über Sachen rede. Eben gerade wollte ich veranschaulichen, was Abstraktion bedeutet, das ist vielen Leuten ja nicht so richtig klar und ein sehr wichtiger Begriff in der Logik des Denkens.)

Und in der Tat, da hab ich jetzt gerade wirklich Dialektik betrieben, aber darin erschöpft sich Dialektik nicht und es ist vor allem auch keine allgemeine Methode. Das ist das, was zum Beispiel Popper unter Dialektik versteht: Man macht eine Behauptung und versucht dann krampfhaft, die zu Widerlegen, was raus kommt, ist dann eine neue These und die widerlegt man am besten auch gleich. So stellt Popper sich Dialektik vor und mit einer solchen Dialektik wäre Popper auch zufrieden, man sollte das nur seiner Meinung nach lieber "Trial and Error" nennen und nicht behaupten dass da am Ende auch nur ein bißchen Wahrheit herauskommen würde.
Ich sage, wir haben durch die Dialektik eben doch durchaus etwas gelernt, nämlich, was das gemeinsame von Sprechen und Schreiben ist, die Erklärung in Begriffen.

Vielleicht hab ich da etwas übersehen und es ließe sich noch viel mehr oder etwas ganz anderes über Sprechen und Schreiben sagen, das ist gerade nicht so wichtig, ich wollte nur einen kurzen Einblick in Dialektik geben.

So, jetzt zu dem, was viele Leute sich falsch unter Dialektik vorstellen, Popper hab ich kurz erwähnt, der ist ein bürgerlicher, jetzt mal zu falscher Vorstellung von Dialektik, wie sie auch manche Marxisten und ihre Vorgänger teilen.

Zu Hegel, der sah Dialektik nicht nur in den Begriffen, der sah sie in der Welt wirken. Für Hegel gilt nicht, dass wir durch vernünftiges Schlussfolgern Erkenntnisse über die Welt ziehen, für ihn galt viel mehr, dass Vernunft in der Welt liegt, die da erkannt wird. Das führt zu einer interessanten Art des Urteilens: Für Hegel ist eine Sache dann vernünftig, wenn sie verstanden ist. Wenn ich etwa in der Lage bin, zu beweisen, dass Kapitalismus funktioniert, dann ist Kapitalismus für Hegel damit vernünftig und eine Sache gegen die man sich nicht wehren sollte.

Kritiker Hegels, die Junghegelianer, gingen vom begreifen über zum kritisieren. Während für Hegel schon feststand, dass eine Sache gut ist, wenn sich darüber nachdenken lässt ("Was wirklich ist, ist auch vernünftig", "Das Ganze ist das Wahre"), war für die Junghegelianer klar, dass man die Sachen alle kritisieren muss. Für die Junghegelianer müssen die wahren Begriffe also erst noch realisiert werden. Es reicht nicht, zu sagen, was Gesellschaft ist, man soll sich kritisch zur Gesellschaft verhalten und stattdessen von einer wahren Gesellschaft träumen.

Dann kam Marx und meinte: Alles ******** mit dieser Dialektik wie ihr sie betreibt. Ob ich eine Sache gut finde oder sie kritisiere, das weiß ich doch erst, nachdem ich überhaupt schon etwas von dieser Sache verstanden habe.

Während also Althegelianer und Junghegelianer Dialektik und Kritik als methodisches Vorurteil verstehen - man befolge einfach die "Regeln der Dialektik" oder stelle sich im voraus kritisch zu allem und jedem und kommt immer zu einem wahren Ergebnis - ist Dialektik bei Marx nur noch die Methode der Darstellung von Wissen, das man bereits gesammelt hat.

Dein Bild von Dialektik, Liane, nach dem Dialektik eine Methode wäre, ist deshalb ja gar nicht so unbegründet, das denken wirklich viele und Dialektik als Methode wäre tatsächlich kritikwürdig. Ob eine Methode zu etwas taugt, steht eben nie fest, wenn ich noch gar nichts über eine Sache weiß. Ich kann zum Beispiel niemandem empfehlen, "Messung mit einem Linial" als Methode der Wahrheitsfindung zu benutzen, wenn ich über die Sache, deren Wahrheit entdeckt werden soll, noch ganz und gar im dunkeln liegt. Mit einem Linial kann ich messen, wenn ich eine Länge vergleichen will, was ja auch schonmal bedeutet, dass das Ding, mit dem ich mich beschäftige, eine Länge hat. Dass es eine Länge hat, das muss ich über das Ding aber wirklich schon wissen, bevor diese Methode einen Sinn hat. Ich kann also wirklich nicht behaupten, dass eine Methode als Vorurteil mir irgendein Wissen versprechen würde. Ein Linial an eine Steuererklärung anzulegen bringt mir beispielsweise gar nichts. Und mit Dialektik kann ich meine Penislänge nicht messen, sondern sie höchstens ersetzen, indem ich viel von "Synthese" rede.

So, Dialektik ist also keine Methode. Dialektik taugt aber sehr gut zur Darstellung von Wissen. Das geht so: Die ganze Menge an Begriffen, die ich benutze, bilden eine Totalität, ein System, in dem, wenn ich gut arbeite, jeder Begriff unersetzlich zur Erklärung eines Sachverhalts taugt und kein Begriff überflüssig ist. Wenn ich etwa die Totalität des Kapitalismus erklären will, dann rede ich nicht über Ästhetik, außer ich kenne einen Umstand, der beides verbindet. Und wenn ich über Kapitalismus rede und so tue, als würde es kein Geld oder keine Armut geben, dann ist der ganze Rest an Begriffen, die ich auffahre, offensichtlich auch zu nichts nutze. Wenn ich eine Darstellung des Kapitalismus leiste, so wie Marx das macht, dann wird das System an Begriffen, die ich auffahre, nach und nach immer größer. Marx fängt mit dem Begriff der Ware an und sagt: Waren, das sind Produkte menschlicher Anstrengung, die getauscht werden. Dann macht er mit dem Tauschen weiter: Beim Tauschen werden verschiedene Dinge nach gleich gegen gleich getauscht. Und wieder geht es weiter: Wären diese Dinge ihrer Qualität (nicht: Güte, sondern: sachliche Eigenschaften) nach gleich, müsste man sie aber gar nicht erst tauschen! (Ein Widerspruch!) So kann sich das also nicht verhalten. Das, was da getauscht wird, ist also nicht die Ware als Ding (das man anfassen kann oder nicht), sondern die Ware als Verdinglichung von etwas, was allen Waren gemeinsam ist. Außerdem wird da nach Quantitäten getauscht, x Ware A = y Ware B. Das gleiche, was da in diesen Waren liegt, ist die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitskraft, die zur Produktion der Waren benutzt wird. Und so weiter und so fort, da geht es dann weiter, und je weiter man in der Darstellung kommt, desto mehr weiß man über alle Begriffe, die in der Darstellung vorher zum Einsatz kamen.
Bei Marx zum Beispiel ist von Ausbeutung eine Zeit lang überhaupt keine Rede. Die Ausbeutung zeigt sich nicht im Tausch, den Marx eingangs behandelt, sondern erst in der Produktion, in der etwas getauscht wird, was gar nicht gleich zu allen anderen Waren ist: Arbeitskraft. Natürlich wusste Marx auch schon bevor er das Kapital geschrieben hat, dass sich das so verhält. Die Idee ist ihm nicht erst beim Schreiben gekommen. Das bedeutet: Marx setzt Dialektik hier nicht als Methode der Erkenntnis ein, sondern lediglich, um seine logischen Schlüsse sauber und nachvollziehbar aufzuschreiben. Dabei achtet Marx darauf, keine Vorgriffe zu machen, sondern die Begriffe Schritt für Schritt, Schluss um Schluss und Urteil um Urteil zu entwickeln.

Jetzt gibt es auch noch andere Auffassungen von Dialektik. Nachdem entwickeln sich nicht nur die Begriffe dialektisch, sondern die Sachen. Eine solche Sache ist etwa die Geschichte. Demnach entwickelt sich die Geschichte Dialektisch, als Abfolge von These, Antithese und Synthese. Das wirkt dann so, als würde eine Vernunft in der Geschichte liegen: Dass in Sparta mal ein König geherrscht hat, führt schon irgendwie irgendwann dazu, dass morgen Kommunismus ist. Und dass mal Faschismus sein würde, das stand nicht nur erst mit der französischen Revolution fest, sondern sogar schon damals, als der erste Urmensch den ersten Begriff in den Mund genommen hat (in die Richtung würde Adorno in der Dialektik der Aufklärung gehen).
 

DeletedUser

Gast
So kann man das echt nicht sagen, dass da Dialektik oder Vernunft in der Welt liegen würde. Aber mit Dialektik und Vernunft kann man die Welt begreifen.

Das will ich mal vormachen, indem ich die Demokratie dialektisch aus ihren historischen Voraussetzungen erkläre. Dieses vorgehen nennt sich "historischer Materialismus". Das, was ich davor erklärt habe, die "Dialektik in der Geschichte", nennt sich Dialektischer Materialismus. Nicht, dass das Gegensätze wären. Das nur zur Information. Also, jetzt zu einer historisch-materialistischen Erklärung der Demokratie.

Als Untersuchungsobjekt möchte ich die französische Revolution nehmen. Man könnte auch interessante Schlüsse aus dem englsichen Parlamentarismus oder der amerikanischen Revolution ziehen, aber ich will die französische nehmen.

Damals gab es eine Feudalherrschaft. In der Feudalherrschaft herrscht eine Klasse von Adligen. Diese Herrschaft vererbt sich durch das Blut. Gesichert wird sie, wie jede Herrschaft, mit Gewalt. Diese Gewalt muss nur angedroht werden, aber wenn jemand sich aus der Herrschaft befreien oder gegen die Regeln der Herrschaft verstoßen will, muss der Herrscher die Gewalt auch anwenden. Zweck der Herrschaft war das persönliche Interesse der Herrscher, der Sonnenkönig baut sich von den Steuern, die er von seinen Subadligen eintreiben lässt, sein schönes Schloss und führt Kriege um ein noch viel mächtigerer Sonnenkönig zu werden.

Die Leute, die beherrscht wurden, waren das Volk. Das ist der allgemeine Begriff des Volkes: Die Leute, deren Gemeinsamkeit die selbe Herrschaft ist. Wir haben also die Pole "Herrschen" und "Beherrschtsein", "Aristokratie" und "Volk".

Die Dialektik daran ist jetzt folgende: Volk bestimmt sich hier durch Aristokratie. Der eine Begriff macht ohne den anderen schlicht und ergreifend keinen Sinn. Das ist die "Totalität" an dem bisherigen Begriffsapparat. Das nur als Anmerkung. Ich möchte nochmal betonen: Daraus, dass das ein dialektisches Verhältnis ist, folgt gar nichts. Das ist im Prinzip ein sehr leeres Wissen, das ich hier geschrieben habe. Ich komme also wieder zur Sache zurück.

Also, dem Volk gefiel es irgendwann, als die ökonomischen Umstände mal schlecht aussahen, ganz und gar nicht, dass der König sich und seinen Hofschranzen und dem Klerus auf ihre Kosten ein schönes Leben veranstaltet hat. Also hat das Volk angefangen, sich als Volk zusammenzufinden und gegen die Aristokratie zu rebellieren.
Dabei ist das Volk gar kein so einheitliches Ding. Zwischen Aristokratie und Volk besteht ein klar erkennbarer Unterschied, eine klare Ausbeutung der einen durch die Gewalt der anderen. Aber auch im Volk herrschen Unterschiede. Unter Volk sind ja sehr verschiedene Menschen befasst, Bauern, Bürger (Handwerker und Manufakturbesitzer), Proletariat (Landarbeiter, Manufakturarbeiter und Tagelöhner), Soldaten. Diese ganzen Menschen haben ganz verschiedene Interessen. Der Handwerker, der einen Tagelöhner anstellt, der beutet nämlich auch die Arbeit des Tagelöhners aus (ohne Erklärung). Im Begriff des Volkes verschwindet der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Interessen. Es wird von den Unterschieden abstrahiert, abgesehen. Aber im Volk finden diese Menschen mit ihren Interessen dennoch zusammen. Warum? Weil ihr gemeinsames Interesse ist, die Herrschaft der Aristokratie zu beenden.

So, wieder die Frage, was ist daran dialektisch an dem, was ich hier erkläre? Würde man wie Hegel die Dialektik in der Welt vermuten, dann würde man sagen: Die Demokratie hat sich als Synthese aus dem Feudalismus (These) und seiner Antithese (der bestimmten Kritik daran) entwickelt.
Ich würde das so nicht sagen. Ich sage aber: Wenn man die Demokratie verstehen will, dann kann man das nur, indem man sich die Umstände ihrer Entstehung ansieht.
Für Hegel wäre also das entstehen der Demokratie selbst schon dialektisch. Für mich ist das einfach nur historisches Faktum, dass die Demokratie entstanden ist, ich versuche lediglich, das verstehen der Demokratie zu bewerktstelligen, indem ich mir ansehe, welche Umstände damals herrschten, wie darüber gedacht und wie dann gehandelt wurde. Also jetzt wieder zurück zu der Sache.

Die Demokratie wäre also als zu verstehen als Synthese des Feudalismus und der Kritik am Feudalismus. Das zeigt sich so: Die Demokraten von damals haben Staaten vorgefunden. Sie haben erkannt, dass das Herrschaftspersonal dieser Staaten deren Gewalt zu ihrem persönlichen Interesse benutzt haben. Jetzt kamen sie auf die Idee, sich von der Gewalt der Aristokratie zu befreien. Das Mittel der Wahl war dafür eine blutige Revolution.
Die Demokraten haben sich damals eben nicht hingesetzt und sich gedacht: "So, wie können wir ein vernünftiges Zusammenleben organisieren?", wenn man das tut, würde man doch nie und nimmer auf die Idee kommen: "Wir sollten ein Ding erfinden, das ich Nation nenne, das ist ein Staat, der nicht dem persönlichen Wohl derjenigen, die den Staat betreiben, sondern dem abstrakten Allgemeinwohl (Erklärung bei Bedarf, einfach sagen) derjenigen, die dem Staat unterstellt sind, dienen soll".
Die Revolutionäre von damals kamen doch aus gar keinem anderen Grund auf die Idee des Staates, weil sie Staaten bereits vorgefunden haben.

Der Fehler der Demokraten war jetzt folgender. Sie haben ganz richtig erkannt, dass der Staat, der von der Aristokratie betrieben wurde, dem Volk schädlich ist. Und trotzdem haben sie dann, nachdem die Aristokratie beseitigt war, gedacht, dass der neue Staat ihr Mittel wäre. Sie dachten sich: Mit dem Mittel des Staates lässt sich das Leben gut regeln. Der Staat soll nur nicht einer Herrschaftsklasse, sondern dem Volk nützlich sein.

Das ist eine ganz schöne logische Zumutung. Das Volk sind die, die beherrscht werden. In der Demokratie hält das Volk sich dann aber selbst für den Herrscher. So als wären diese beiden ganz unterschiedlichen Pole in der Demokratie auf einmal vereint, und als gäbe es zwischen "Herrscher sein" und "Beherrscht sein" keinen Widerspruch. Dieser ganz reale Widerspruch zwischen Herrschaft und Beherrschtsein existiert fort, auch wenn er im Begriff des Volkes im Denken aufgehoben wird.

Im Feudalismus hatte der Volksbegriff ja noch einen sehr wirklichen Sinn, das gemeinsame Interesse war, die Aristokratie abzuschaffen. In der Demokratie hätte das Volk sich aber aufheben müssen! Das Verhältnis zwischen Herrschaft und Beherrschtsein hätte aufhören müssen! Stattdessen dient der Begriff des Volkes in der Demokratie auf einmal zur Legitimation der Herrschaft: An der Gewalt des Staates habt ihr deshalb nichts auszusetzen, weil es der Staat des Volkes ist! Man sieht, das Denken wird hier zur Ideologie. Man sieht auch: Der Charakter eines Begriffes verändert sich mit der Zeit. Der Volksbegriff im Feudalismus ist ein anderer als der heute.

Der Volksbegriff änderte sich erstmal zu einem rassistischen, was sein Modell im Blutsrecht des Adels hatte - man sieht, die Demokraten können den adligen eh nur alles auf pöblige Art und Weise nachmachen ;D. Jedenfalls, der Begriff des Volkes wurde mit der Umsetzung des Demokratie auf einmal sinnlos, aber er sollte doch gerade als Legitimation der Demokratie herhalten. Also hat der Volksbegriff sich geändert und diente fortan als Abgrenzung von genetisch (auch wenn man's damals noch nicht so genannt hat) ähnlichen Menschen. Aus irgendeinem Grund sollte diese genetische Ähnlichkeit eine Gemeinsamkeit hergeben, die ein gemeinsames Interesse begründet. Der rassistische Volksbegriff sieht also von allem ab außer von der Abstammung.

Das hat auch einen handfesten ökonomischen Grund: Der Kapitalismus entwickelte sich und eine Menge Menschen wurden plötzlich überflüssig. Dieser rassistische Volksbegriff ist im Prinzip ein Appell der vom Kapitalismus abgehangenen: "Hey, Leute, Herrscher, kümmert euch um uns! Wir sind uns doch ähnlich, wir sind Volk, ihr müsst euch für uns einsetzen!".

Ich möchte nochmal zwei Dinge festhalten, die meine historische Bestimmung des Demokratiebegriffs ausmachen.

Erstens, die Demokraten wollten ein Ende der persönlichen Herrschaft. Staat sollte weiter gemacht werden, aber die Leute, die den Staat umsetzen, sollten daran keinen all zu großen persönlichen Gewiinn haben.
Zweitens, der Begriff des Volkes.

Demokratie ist also Herrschaft, die Mittel der Beherrschten sein soll.

Dieses grundsätzliche Missverständnis der demokratischen Ideologie ist direkter Vorfahre des Faschismus.

Die Demokratiekritik von Faschisten ist nämlich nicht, wie man das im demokratischen Schulunterricht lernt, dass es doch mal wieder super wäre, Weltherrscher zu werden. Faschisten wollen stattdessen genau das selbe wie die Demokraten der französischen Revolution. Faschisten kritisieren an der Herrschaft nicht, dass sie Herrschaft ist, sondern sie kritisieren, dass die Herrschaft dem persönlichen Reichtum einer Herrscherklasse zugute kommt und nicht dem Volk. Faschisten wollen also, dass man mit dem demokratischen Unsinn ernst macht. Und demokratische Kritik am Faschismus schlägt regelmäßig fehl, weil Demokraten sich ja auf ihre eigenen Fehler besinnen müssten, um Faschisten kritisieren zu können. Die Faschisten denken sich dann immer nur: "Was für bescheuerte Demokraten, die denken, wir wollen einen Hitler 2.0 einsetzen. Dabei wollen wir nur, dass die Herrschaft eine gute Herrschaft ist!". Demokraten unterscheiden sich von Faschisten in dieser Hinsicht überhaupt nicht, auch die wollen die gute Herrschaft. Allerdings leugnen die Faschisten, dass es sich bei unserer heutigen Herrschaft um eine gute Herrschaft handelt, während Demokraten alles in allem ganz Einverstanden damit sind.

So, wo ist jetzt der Fehler von Demokraten und Faschisten? Der steckt im "Volk". In der Absehung vom Klassengegensatz im Volk. Deshalb wird es, solange es Demokratie gibt, die den Klassengegensatz nur verwalten und nicht aufheben will, auch immer Faschisten geben.

Jetzt möchte ich nochmal den Kreis zur Dialektik schließen. Der Demokratiebegriff, den ich gerade vorgestellt habe, ist radikal verschieden von dem, den Demokraten pflegen. Die moderne, westliche Demokratie definiert sich durch etwas ganz anderes als durch die französische Revolution. Im Westen ist Demokratie der Formalismus der Herrschaftsbestellung durch freie, gleiche, allgemeine und geheime Wahlen. Die DDR hatte eine andere Vorstellung von Demokratie, für die war das D in der DDR nicht nur ein schlechter Witz. Was ist denn demokratisch an der DDR? Das Herrschaftspersonal war auch in der Selbstlegitimation DDR erstens unpersönlich und zweitens nicht durch ein Blutsprivileg bestimmt. Zweck der DDR war Sozialismus für das Volk und jeder konnte dem Herrschaftspersonal beitreten, wenn er das wollte, er musste nur halt die Staatsdoktrin mittragen und durfte nicht seine eigene, persönliche Vorstellung von guter Herrschaft geltend machen.

Jetzt der Unterschied zwischen einer dialektischen Darstellung zu einer Nichtdialektischen. Die Nichtdialektische arbeitet mit Definitionen, nicht mit Erklärungen. Für die definiert man einfach: "Demokratie ist die Herrschaftsbestellung durch Wahlen" und dann prüft man eine Herrschaft, ob dieses Kriterium erfüllt wird. Dieses Denken ist eine Prüfung auf Identität. Man setze A = B ^ C ^ D ... und schaue ob für a gilt, dass A, dann darf man Demokratie dazu sagen. Dialektik möchte nicht einfach nur Identität prüfen - man erinnere sich, das Denken in Identität ist ohne Bewegung und ohne die Möglichkeit von Erkenntnisgewinn. Das einzige, was man mit Identitätsdenken machen kann, ist, zu prüfen, ob eine Sache einem Begriff entspricht, erklären kann man eine Sache damit aber nicht.

Leider funktioniert Kritik heutzutage hauptsächlich als Identitätsdenken. Man sucht sich eine Identität aus, von der alle wissen, dass man damit einverstanden sein muss. Etwa: Demokratie oder Freiheit. Und wenn einem eine Herrschaft dann nicht gefällt, dann sagt man: Das ist undemokratisch und hält die ganze Kritik schon für erledigt. So kritisieren Demokraten die Faschisten und die Kommunisten: Das ist undemokratisch!
Während das bei den Faschisten von heute gar nicht mehr stimmt - die schlimmsten Rassisten von heute denken, ein Wahlsystem wie in der Schweiz wäre ganz super, weil dann die Mehrheit des Volkes schon für die Abschiebung der Volksfeinde stimmen würde, die Neofaschisten haben also den demokratischen Formalismus längst für sich entdeckt -, ist die Kritik bei den Kommunisten dann vollkommen absurd. Kommunisten wollen ja gar nicht demokratisch sein, weil sie erklären können, weshalb Demokratie zu nichts taugt - weil sie nämlich vom Klassengegensatz nichts wissen will und sich stattdessen lieber als Volk zum Grund und Zweck der Herrschaft denkt, ohne dass das demokratische Nachdenken über die Demokratie je zu irgendetwas führen würde.

Ich hoffe, das war erhellend. :D
Man schreibt sich.

Ach ja, ich werd später noch ein paar Links verteilen die nochmal näher darauf eingehen, warum Demokraten Faschisten nicht kritisieren können und wie Kritik richtig geht.
 

DeletedUser

Gast
Ach ja, ich werd später noch ein paar Links verteilen die nochmal näher darauf eingehen, warum Demokraten Faschisten nicht kritisieren können und wie Kritik richtig geht.

Kannst ja den Text nehmen, den du mir geschrieben hast. Ist btw ein Worddukoment von 7 Seiten, Schriftgröße 12.^^

Wait...:

Die Demokratiekritik von Faschisten ist nämlich nicht, wie man das im demokratischen Schulunterricht lernt, dass es doch mal wieder super wäre, Weltherrscher zu werden. Faschisten wollen stattdessen genau das selbe wie die Demokraten der französischen Revolution. Faschisten kritisieren an der Herrschaft nicht, dass sie Herrschaft ist, sondern sie kritisieren, dass die Herrschaft dem persönlichen Reichtum einer Herrscherklasse zugute kommt und nicht dem Volk. Faschisten wollen also, dass man mit dem demokratischen Unsinn ernst macht. Und demokratische Kritik am Faschismus schlägt regelmäßig fehl, weil Demokraten sich ja auf ihre eigenen Fehler besinnen müssten, um Faschisten kritisieren zu können. Die Faschisten denken sich dann immer nur: "Was für bescheuerte Demokraten, die denken, wir wollen einen Hitler 2.0 einsetzen. Dabei wollen wir nur, dass die Herrschaft eine gute Herrschaft ist!". Demokraten unterscheiden sich von Faschisten in dieser Hinsicht überhaupt nicht, auch die wollen die gute Herrschaft. Allerdings leugnen die Faschisten, dass es sich bei unserer heutigen Herrschaft um eine gute Herrschaft handelt, während Demokraten alles in allem ganz Einverstanden damit sind.

Es muss einen größere Unterschied zwischen Faschisten und "Demokraten" geben.
Denn sonst wäre ja jede Oppositionspartei faschistisch, auch wenn es die DKP z.B. wäre. Oder meinst du explizit die Herrschaft?
Geht es um die Demokratie an sich? Oder nur um die Frage des Staatsoberhauptes? Der Faschist würde auch nen Diktator einsetzen, wenn eben dadurch eine gute Herrschaft ermöglicht werde. Also kann man den Faschisten zunächst nichts menschenfeindliches vorwerfen, da es dem Faschisten ja um das Wohl des eigenen Volkes geht. Bei den Demokraten erkenne ich das (leider) nicht so. Wulff und Schröder und das hier sind ja nur drei von hunderten Beispielen.


Noch etwas für's Gemüt:

schwarzwaehlen.jpg


xD
 
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[ x ] Hat sich alles durchgelesen o/


Hugo schrieb:
Der Fehler der Demokraten war jetzt folgender. Sie haben ganz richtig erkannt, dass der Staat, der von der Aristokratie betrieben wurde, dem Volk schädlich ist. Und trotzdem haben sie dann, nachdem die Aristokratie beseitigt war, gedacht, dass der neue Staat ihr Mittel wäre. Sie dachten sich: Mit dem Mittel des Staates lässt sich das Leben gut regeln. Der Staat soll nur nicht einer Herrschaftsklasse, sondern dem Volk nützlich sein.

Naja Hugo, ich sehe das eher ein wenig anders.
Die Revolutionäre hatten imo schlicht keine andere Wahl, als sich in einem neuen Staat zusammenzufinden. Was hätten wohl die umliegenden Staaten mit "französischem" Gebiet gemacht, wenn die Revolutionäre ein staatenloses Gebilde erstellt hätten? Schon alleine aus Angst davor, dass staats-/herrschaftskritische Gedanken rüberschwappen (Denk dir mal die Angst vor Demokratisierung, die in den Monarchien nach der Französischen Revolution umging) oder halt aus reiner Gebietsgier würden sie doch in das "Land" einfallen und die Revolutionäre fänden sich wieder ausgebeutet und unter Fremdherrschaft wider.

Klar, du hast jetzt das beschrieben, was die Revolutionäre wahrscheinlich tatsächlich auch geglaubt haben, aber ich finde, hier sollte auch klar differenziert werden zwischen dem was realistisch möglich gewesen wäre und dem, was eben zu dem Zeitpunkt reine Utopie sei.
Da ist für die Revolutionäre die Bildung einer Republik zu dem Zeitpunkt eben afaik die beste Lösung gewesen.

edit: Mir ist btw klar, dass das von mir Zitierte eigentlich an dem vorbeigeht, was du aussagen willst. Nur kann ich an deiner Erklärung der Dialektik und dem praktischen Beispiel nicht viel aussetzen :D
 

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Es muss einen größere Unterschied zwischen Faschisten und "Demokraten" geben.
Denn sonst wäre ja jede Oppositionspartei faschistisch, auch wenn es die DKP z.B. wäre. Oder meinst du explizit die Herrschaft?
Geht es um die Demokratie an sich? Oder nur um die Frage des Staatsoberhauptes? Der Faschist würde auch nen Diktator einsetzen, wenn eben dadurch eine gute Herrschaft ermöglicht werde. Also kann man den Faschisten zunächst nichts menschenfeindliches vorwerfen, da es dem Faschisten ja um das Wohl des eigenen Volkes geht. Bei den Demokraten erkenne ich das (leider) nicht so. Wulff und Schröder und das hier sind ja nur drei von hunderten Beispielen.
Klar, da gibt's größere Unterschiede, ich war in Eile und wollte zum Ende kommen. :D

Der Unterschied ist vor allem ein inhaltlicher. Neofaschisten wollen nicht die Demokratie gefährden, wie Demokraten das behaupten, sie wollen Ausländer aus dem Land raus und eine Souveräne und starke Nation haben.
Klar, dafür würden sie, wenn es nötig wäre, auch den Weg einer Diktatur wählen, Demokraten würden das nie tun. Aber Demokraten sehen da realistischerweise auch gar keine Not zu, die Demokratie macht ihren Job ganz wunderbar, deshalb sind die rechtsextremen auch so eine marginale Minderheit. Derzeit werden die Faschisten einfach nicht gebraucht.
Das kann sich natürlich jederzeit ändern, nationalbefreite Zonen, Kameradschaften usw. sind im Moment zwar nur 'ne Nische, aber die gibt's und wenn der Laden mal wieder mies läuft, ******en die Demokraten von heute vielleicht auf ihren Realismus und machen Ernst mit bei der faschistischen Rettung des Kapitalismus.

Die Revolutionäre hatten imo schlicht keine andere Wahl, als sich in einem neuen Staat zusammenzufinden.
Das stimmt absolut, ich will die Revolutionäre von damals nicht verurteilen, ich möchte lediglich die Logik des Fehlers und die ideologische Funktion des Volksbegriffs erklären. Daraus kann man lernen.
Die kommunistischen Revolutionäre in der Sowjetunion haben ja einen ganz ähnlichen Fehler gemacht, die Arbeiterklasse soll sich mit der Revolution aufheben, aber stattdessen musste man Weltpolitik machen und das kapitalistische Lager hat eben gewonnen. Nicht, weil es kapitalistisch war, die sowetische Planwirtschaft war ja keinesfalls ein Reinfall, wer weiß was für einen Lebensstandard die gebracht hätte, wenn nicht so viel Arbeit für Rüstung und Nation draufgegangen wäre.

Klar, du hast jetzt das beschrieben, was die Revolutionäre wahrscheinlich tatsächlich auch geglaubt haben, aber ich finde, hier sollte auch klar differenziert werden zwischen dem was realistisch möglich gewesen wäre und dem, was eben zu dem Zeitpunkt reine Utopie sei.
Da ist für die Revolutionäre die Bildung einer Republik zu dem Zeitpunkt eben afaik die beste Lösung gewesen.
Realistisch wäre gewesen, die europäischen Reaktionäre mit Gewalt zu besiegen, die Revolution in der zivilisierten Welt durchzusetzen und sich dann daran zu machen, diese ganzen Rückstände der Naturgeschichte des Menschen endlich hinter sich zu lassen. Klar und keine Frage, die Durchsetzung dieser Revolution ging nur mit Gewalt. Aber das Ziel der Gewalt war eben auch ein falsches, es war nämlich die Durchsetzung einer Demokratie und nicht die Selbstaufhebung des Volkes, also muss es jetzt eben die Selbstaufhebung der Arbeiterklasse sein. Im Gegensatz zum Begriff des Volkes gibt der Begriff der Arbeiterklasse das aber eben auch her.

edit: Mir ist btw klar, dass das von mir Zitierte eigentlich an dem vorbeigeht, was du aussagen willst. Nur kann ich an deiner Erklärung der Dialektik und dem praktischen Beispiel nicht viel aussetzen :D
Ich bin absolut der Meinung, dass das Thema hier sich entwickeln können sollte wie es gerade kommt. Alles andere wäre furchtbar undialektisch. :D
 
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Hugo schrieb:
So, Dialektik ist also keine Methode.

Hugo schrieb:
Wenn ich eine Darstellung des Kapitalismus leiste, so wie Marx das macht, dann wird das System an Begriffen, die ich auffahre, nach und nach immer größer. Marx fängt mit dem Begriff der Ware an und sagt: Waren, das sind Produkte menschlicher Anstrengung, die getauscht werden. Dann macht er mit dem Tauschen weiter...Und so weiter und so fort, da geht es dann weiter, und je weiter man in der Darstellung kommt, desto mehr weiß man über alle Begriffe, die in der Darstellung vorher zum Einsatz kamen.
...Das bedeutet: Marx setzt Dialektik hier nicht als Methode der Erkenntnis ein, sondern lediglich, um seine logischen Schlüsse sauber und nachvollziehbar aufzuschreiben. Dabei achtet Marx darauf, keine Vorgriffe zu machen, sondern die Begriffe Schritt für Schritt, Schluss um Schluss und Urteil um Urteil zu entwickeln.

Siehst du, du schreibst es selbst: Marx Stärke liegt gerade in der strengen Methodik seines Denkens. Seine Dialektik ist sehr wohl eine Methode des Denkens und auch wenn ihm die Ausgangspunkte seiner Theorie schon klar waren, bevor er zu schreiben anfing, so waren sie ihm mit Sicherheit nicht klar, bevor er zu denken anfing. Dialektik bedarf weder des gesprochenen noch geschrieben Wortes, ich denke, da sind wir uns leicht einig. Dialektik ist also auch durchaus auch eine Methode, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Natürlich nicht beschränkt auf die starren These-Antithesespielchen, wiewohl die spielerische Verneinung als Experiment ein klassischer Wesenszug der Dialektik ist.

Natürlich - Dialektik als Methodik der Gedankenarbeit ist, wie du Richtung Liane schreibst, kritikwürdig. KRITIKWÜRDIG - ich sag das mal ganz deutlich, denn kritikwürdig ist ja nichts schlechtes. Dialektik ist jederzeit einer Kritik würdig, sie ruft selbst auf, kritisiert zu werden, das ist nun mal ihr Wesen.

Auch Demokratie und Kapitalismus sind kritikwürdig, würdig, kritisiert zu werden. Nicht nur weil sie letztlich untaugliche Mittel sind, jedermann ein wirklich lebenswertes Leben zu ermöglichen. Sie sind deswegen auch würdig, weil sie nun mal faktisch vorhanden sind und auf uns alle wirken, und weil sie vorallem durchaus Teilerfolge erzielen. Sie ermöglichen ein angenehmes Leben, sie ermöglichen eine hohe Lebenserwartung in Gesundheit, sie helfen, eine der schlimmsten Katastrophen zu verhindern, die es im Leben eines Menschen gibt, nämlich den frühen Tod eines mit sehr viel Mühe und Aufwand über lange Zeit entstehenden neuen Menschen, eines Säuglings, zu verhindern. Demokratie und Kapitalismus verbringen wahre Großtaten, ganz unbenommen.

Nur leider, leider eben nur in Form von Privilegien für - bezogen auf die Weltbevölkerung - sehr wenige. Für das Wohlleben von Wenigen müssen sehr viele andere bluten bis zum Tod. Das ist das unmenschliche an Demokratie und Kapitalismus, hier muss die Kritik ansetzen.

(das war ein Beispiel meiner Dialektik)
 
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Menschliches Denken ist begriffliches Denken. Man kann spekulieren, seit wann das so ist und weshalb das so ist, aber das ist dann wirklich nur Spekulation und gibt nicht viel her. Bleibt es erstmal bei der Beobachtung, dass es so ist: Menschliches Sein geht einher mit Bewußtsein und dieses Bewußtsein äußert sich nicht nur als Emotionen, Bilder, Erinnerungen und Sinneseindrücke, die an einen herantreten, sondern als denkende Bewältigung von Aufgaben.
Denken bezieht sich immer auf eine Sache, über die da gedacht wird, diese Sache bezeichnet der Begriff. Der Begriff einer Sache ist nicht mit einem bloßen Namen oder einer Definition zu verwechseln. Es ist ja zum Beispiel ganz gleichgültig, dass ich "Stefan" heiße, mit "Hugo" könnt ihr auch gut verfahren, das sagt über mich nichts aus, die Sache "Hugo" bleibt die gleiche. Das heißt, aus dem Namen lässt sich kein Schluss ziehen. Name ist nichts weiter als Identität, A = A, ziemlich tot und ohne Bewegung das ganze.
Der Begriff bekommt erst gehalt, wenn das Subjekt mit einem Prädikat versehen wird. Hugo ist ein Typ der gerne wahre Sachen im Internet sagt, zum Beispiel. In dieser Bestimmung des Begriffs von Hugo (Typ der gerne wahre Sachen im Internet sagt) kommen selbst wieder Begriffe als Prädikat vor, die man auch begreifen kann. Was ist Internet, was sind Sachen, was ist Wahr, was ist ein Typ, was bedeutet es, etwas gerne zu tun, und was ist eigentlich dieser Sprechakt? Man sieht, da kommt langsam Bewegung in die Sache! A = A ist eine Aussage, die niemand in Zweifel ziehen, aus der man aber auch keine Schlüsse ziehen kann, mit A = B ^ C ^ D ^ ... ist schon viel mehr erreicht, jetzt kommt man zu Erkenntnissen und kann prüfen, ob die Behauptung, die ich aufgestellt habe, sich auch wirklich so verhält.
Man könnte zum Beispiel fragen, ob ich da wirklich Sachen sage oder sie nicht viel mehr schreibe. Man könnte zur Sprache bringen, ob das denn wirklich einen Unterschied macht, ob ich jetzt rede oder schreibe. Selbstverständlich sind das verschiedene Sachen, aber sie haben beide etwas gemeinsames. Das gemeinsame ist, dass ich mit Begriffen einen Sachverhalt erklären will. Sagen wir also lieber, "Hugo ist ein Typ der im Internet gerne Sachen erklärt".
Das Verfahren von eben ist das was man gerne unter Dialektik versteht. Die These war: Ich sage, die Antithese war: stimmt gar nicht, ich schreibe, die Synthese ist: Letzen Endes ist alles, was ich tue, zu erklären, eine Sache, die sowohl dem sprechen als auch dem schreiben gemeinsam ist. (Kurze Anmerkung: Dieses Suchen von etwas gemeinsamen einer Menge von Sachen nennt sich Abstraktion. Wenn ich danach frage, was das gemeinsame von Rosen, Ahorn und Algen ist, dann komme ich zum Begriff der "Pflanze". Abstraktion heißt "absehen", das, wovon abgesehen wird, sind die Unterschiede zwischen den Sachen: Rote Blüte, Blatt und holziger Stamm, Einzeller - davon sehe ich ab, übrig bleibt sowas wie Chlorophyll oder Zellwand, was das gemeinsame aller Pflanzen ausmacht. Ist natürlich nicht ganz richtig, das gemeinsame der Pflanzen ist im wesentlichen ihre Evolution, gibt halt auch Pflanzen ohne Chlorophyll, aber darum soll's hier nicht gehen, ich will ja immer nur veranschaulichen, wenn ich hier über Sachen rede. Eben gerade wollte ich veranschaulichen, was Abstraktion bedeutet, das ist vielen Leuten ja nicht so richtig klar und ein sehr wichtiger Begriff in der Logik des Denkens.)


führt das nicht dazu, dass es einfach eine große rekursion wird? a = a ist ja wie du sagst einfach und inhaltsleer.
wenn man jetzt ein komplettes system seiner begriffe hat, also a = a ^ b ^ c ^ usw, kommt man irgendwann wieder auf a zurück.
ist das nicht erstens eine rekursion und zweitens, wenn man ein mehr oder weniger geschlossenes begriffssystem hat, immunisiert man sich dann nicht auch gegen neue begriffe, die dieses system durcheinanderwerfen könnten?
 
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