Das Sentiment, dass Studenten faul seien (ich schließe das jetzt einfach mal aus dem permanenten Vorwurf, dass sie nicht arbeiteten) ist nicht damit abzutun, dass man anmerkt, dass sie notwendig seien. Das ist ident mit dem Hinweis darauf, dass die Klofrau aus Polen sein muss, denn irgendwer muss es ja machen. Hierbei werden Menschen in Schubladen gesteckt die alles andere als passend sind. Übrigens ändert es auch nichts am Vorwurf.
'Studenten sind faule Schweine.' 'Aber wir brauchen sie!' 'Studenten sind trotzdem faule Schweine.'
Statt diese Kette in die Unendlichkeit weiter zu führen könnte man dem Getrolle auch auf einer Ebene beikommen, auf der es Sinn macht. Beispielsweise den Mist ignorieren und nicht schmollen, weil man selber mal eine Universität betreten hat, oder irgendwelche Statistiken anführen, die beweisen, dass soundsoviele Studenten arbeiten, darlegen inwiefern ein Studium der Studienrichtung X total anstrengend ist oder das ganze einfach vom Tisch wischen indem man sagt 'Ich arbeite nebenbei, liebster Latinl.'. Gegenprovokation hat man hier auch schon gesehen, wirkt nur in meinen Augen irgendwie lächerlich.
Jedenfalls ist es keine valide Option logische Fehler mit dem Mäntelchen großer Rhetorik auszustatten.
Wenn der Vorwurf bloß lautete, Studenten seien faul, dann wäre das wirklich dermaßen belanglos, dass Ignorieren hier die beste Option wäre. Ob irgend ein konservativer Depp, der sich täglich auf die Schulter klopft, weil er sich so anständig findet, mich als faul oder als fleißig betrachtet, kann mir ja wirklich egal sein. Hier wäre es tatsächlich ziemlich lächerlich dem Vorwurf mit Statistiken zu begegnen (zumal das eh eine Form von Kritik bedeutet, die sich um die Genese der Ideologie nicht kümmert und damit gar nicht anders kann, als an der Oberfläche zu bleiben).
Der Vorwurf geht aber natürlich viel weiter. Der lautet, dass Studenten (Latinl weitet das gerne auch auf die aus, die mal welche waren) schmarotzen und sich auf Kosten der Gesellschaft ein schönes Leben einrichten. Die ganzen anständigen, produktiv arbeitenden Menschen finanzieren nur das Nichtstun der Elfenbeintürmler. Hier gehts nicht mehr um persönliche Eigenschaften, sondern um gesellschaftliche Verhältnisse. Und die werden von Latinl eben fatal Missverstanden, sein Fehler geht weit darüber hinaus Studenten falsch einzuschätzen.
Eine solche Kritik, wie Latinl sie vorbringt, ist vollkommen blind für die gesellschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten. In der Moderne ist die persönliche Herrschaft aufgehoben und traditionelle kollektive Bindungen zunehmend aufgelöst. Deshalb erscheint es ja auch tatsächlich so, als wäre jeder seines Glückes Schmied und als ob die Ökonomie wirklich die "Leistung" eines jeden einzelnen reflektiert, was auch immer man darunter verstehen mag. Darum ist ja auch häufig davon die Rede, dass die "starken Schultern" der mittleren und hohen Einkommen den Staat über ihre Steuerabgaben tragen, obwohl eben diese Einkommen, und damit die entsprechend hohe Steuerabgabe, erst dadurch ermöglicht werden, dass es eben die niedrigen gibt (sry für die schwammigen Kategorien). Wenn man dann auch noch auf staatliche Mittel angewiesen ist, ist man einer solchen Kritik zu Folge wohl ein kompletter Nichtsnutz.
Die 'Kehrseite' der Medaille ist nun aber, dass sich mit der Moderne und ihren Freiheitsrechten die unpersönlichen Abhängigkeits- und Wechselwirkungsverhältnisse umso mehr verstärken. Da ist eben nicht jeder seines Glückes Schmied, alles was da betrieben wird und alle Größen die da auftauchen, machen erst im gesellschaftlichen Kontext Sinn, eben dafür sind Menschen wie Latinl aber blind. Und genau deshalb ist der Hinweis von Klabauter hier auch nicht fehl am Platz.
Dass Wissenschaft bis zu einem gewissen Grad von produktiver Arbeit abgekoppelt ist, bedeutet deshalb nicht, dass sie bloß auf Kosten der Gesellschaft schmarotzt. Hier haben wir es mit einer genau solcher gesellschaftlichen Verflechtung zu tun: Wissenschaft ist darauf angewiesen, dass ein bestimmter Anteil der Gesellschaft von produktiver Arbeit freigestellt ist, und die moderne Gesellschaft ist wiederum nicht ohne technisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen zu haben. Deshalb ist es auch vollkommen falsch sich beides voneinander getrennt zu denken und Wissenschaft daran zu messen, ob da jetzt produktive Arbeit verrichtet wird, denn ein Großteil davon wäre ohne Wissenschaft gar nicht existent.
Im übrigen ist mir Latinl total egal. Deppen wie er sind nur ein verdammt gutes Demonstrationsobjekt von Kritik, und ich hoffe immer, dass andere Leute die mitlesen was von der Kritik aufschnappen können, die an ihm geübt wird.